Ratgeber Airbus im Höhenflug? Mehr als China-Aufwind für den Flugzeugbauer

Veröffentlicht am 17.06.2025 von Andreas Vonoia

Airbus fliegt auf Rekordkurs, doch die enorme Abhängigkeit von China wird zur strategischen Achillesferse. Zwischen vollen Auftragsbüchern und Lieferengpässen – eine Analyse, wie der Konzern mit neuen Märkten und grüner Technologie die Weichen für eine nachhaltige Zukunft stellt.

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Der China-Faktor: Segen und Fluch zugleich

Es lässt sich nicht leugnen: China ist für Airbus von existenzieller Bedeutung. Rund 20 Prozent aller ausgelieferten Flugzeuge des europäischen Herstellers gehen nach China, wo Airbus mit über 2.200 Maschinen in Betrieb einen beeindruckenden Marktanteil von etwa 55 Prozent hält. Die Prognosen sind ebenfalls vielversprechend. Bis zum Jahr 2043 wird erwartet, dass China allein ein Fünftel der weltweiten Flugzeugnachfrage ausmachen wird. Diese Zahlen untermauern, warum jede positive Nachricht aus Peking die Kurse in Paris und Frankfurt bewegt.

Diese starke Abhängigkeit birgt jedoch erhebliche Risiken. Die geopolitischen Spannungen, insbesondere zwischen den USA und China, schaffen ein unberechenbares Umfeld. Während Airbus kurzfristig davon profitieren kann, wenn chinesische Fluggesellschaften Aufträge von Boeing stornieren oder verschieben, könnte sich das Blatt schnell wenden. Politische Entscheidungen können Handelsströme und Marktzugänge über Nacht verändern. Eine übermäßige Konzentration auf einen einzigen, politisch sensiblen Markt ist eine strategische Schwachstelle.

Hinzu kommt die wachsende Konkurrenz aus China selbst. Mit dem staatlichen Hersteller COMAC und seinem Modell C919 baut sich Peking eine eigene Alternative im lukrativen Segment der Schmalrumpfflugzeuge auf. Mit bereits über 1.000 Bestellungen – ausschließlich von chinesischen Airlines – ist die C919 mehr als nur ein Prestigeprojekt. Sie ist eine klare Ansage, die langfristig darauf abzielt, die Marktdominanz von Airbus und Boeing im eigenen Land zu brechen. Für Airbus bedeutet dies, dass der chinesische Markt in Zukunft nicht nur umkämpfter, sondern auch weniger vorhersehbar wird.

Blick über die Mauer: Globale Wachstumsmärkte im Visier

Die strategische Antwort auf die China-Risiken liegt in der Diversifizierung. Glücklicherweise ist die weltweite Nachfrage nach Flugzeugen ungebrochen. Der Airbus Global Market Forecast prognostiziert bis 2044 ein durchschnittliches jährliches Wachstum des Passagierverkehrs von 3,6 Prozent. Der Bedarf an neuen Passagier- und Frachtflugzeugen wird auf rund 43.400 Maschinen geschätzt. Ein entscheidender Treiber ist dabei die Modernisierung der Flotten: Etwa 44 Prozent dieser neuen Flugzeuge werden ältere, weniger treibstoffeffiziente Modelle ersetzen.

Besonders ein Markt rückt dabei in den Fokus: Indien. Mit einer prognostizierten jährlichen Wachstumsrate des Passagierverkehrs von fast 8,9 Prozent ist das Land der mit Abstand am schnellsten wachsende Luftfahrtmarkt der Welt. Airbus hat dies erkannt und baut seine Präsenz dort gezielt aus. Große Bestellungen von Fluggesellschaften wie IndiGo oder Air India sind ein klares Zeichen für das immense Potenzial. Neben Indien bieten auch andere Regionen wie der Nahe Osten und weitere Teile Südostasiens vielversprechende Wachstumschancen, die es zu erschließen gilt, um die Abhängigkeit von China zu reduzieren.

Die unsichtbaren Bremsen: Lieferketten und Produktionsengpässe

Die Auftragsbücher von Airbus sind prall gefüllt. Das eigentliche Problem liegt derzeit nicht in der Nachfrage, sondern im Angebot. Der Konzern kämpft, wie die gesamte Branche, mit erheblichen Engpässen in der Lieferkette. Die Produktion hochzufahren und die bestellten Flugzeuge termingerecht auszuliefern, erweist sich als eine der größten Hürden.

Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex:

  1. Zuliefererprobleme: Wichtige Komponenten, insbesondere Triebwerke, sind knapp. Hersteller wie Pratt & Whitney oder CFM International kommen mit der Produktion kaum hinterher.
  2. Rohstoffmangel: Spezielle Metalle und Verbundwerkstoffe, die für den modernen Flugzeugbau unerlässlich sind, sind schwer zu beschaffen und teuer geworden.
  3. Fachkräftemangel: In der gesamten Luftfahrtindustrie fehlt es an qualifiziertem Personal, von Ingenieuren bis hin zu spezialisierten Technikern in der Fertigung.

Diese Engpässe führen zu Produktionsverzögerungen, die nicht nur die finanzielle Planung des Unternehmens durcheinanderbringen, sondern auch die Kunden verärgern. Fluggesellschaften, die dringend auf neue, effizientere Maschinen warten, um ihre Flotten zu modernisieren und Kosten zu senken, müssen sich in Geduld üben. Die Fähigkeit, diese Lieferkettenprobleme zu lösen, ist für Airbus entscheidend, um das Vertrauen der Kunden zu wahren und die vollen Auftragsbücher in realen Umsatz zu verwandeln.

Nachhaltigkeit als Triebwerk: Die grüne Revolution der Luftfahrt

Langfristig wird kein Thema die Luftfahrt so stark prägen wie die Nachhaltigkeit. Der Druck von Regulierungsbehörden, Investoren und der Öffentlichkeit, den CO₂-Fußabdruck des Fliegens zu reduzieren, wächst stetig. Airbus hat sich hier als technologisch führend positioniert und treibt die Entwicklung klimafreundlicherer Flugzeuge aktiv voran. Die Strategie ruht auf mehreren Säulen: der Optimierung bestehender Modelle, der Nutzung nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAFs) und der revolutionären Vision eines wasserstoffbetriebenen Flugzeugs.

Das ZEROe-Konzept, das bis 2035 ein kommerziell einsetzbares Wasserstoffflugzeug vorsieht, ist ambitioniert, aber ein klares Signal für die Innovationskraft des Unternehmens. Schon heute trägt jede neue ausgelieferte Maschine zur Dekarbonisierung bei, da sie deutlich weniger Treibstoff verbraucht als ihre Vorgängergeneration. Dieser Fokus auf Effizienz und Nachhaltigkeit ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch ein starkes Verkaufsargument und ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Zukunft.

Fakten im Überblick: Airbus in Zahlen

Kennzahl Wert / Prognose
Marktanteil in China ca. 55%
Anteil Chinas an globalen Airbus-Auslieferungen ca. 20%
Prognose Passagierwachstum weltweit (p.a. bis 2044) 3,6%
Prognose Passagierwachstum Indien (p.a. bis 2044) 8,9%
Geschätzter Bedarf an neuen Flugzeugen bis 2044 ca. 43.400 Maschinen
Bestellungen für Konkurrenzmodell COMAC C919 Über 1.000 (Stand Anfang 2025)

Fazit: Kurs halten in turbulenten Lüften

Airbus befindet sich zweifellos in einer starken Position. Die Probleme des Hauptkonkurrenten Boeing haben dem europäischen Hersteller ein Zeitfenster geöffnet, um seine Marktführerschaft auszubauen. Der Rückenwind aus China ist dabei ein willkommener, aber trügerischer Katalysator. Für Anleger und Beobachter ist es entscheidend, die tiefer liegenden strategischen Imperative zu erkennen.

Der langfristige Erfolg von Airbus wird nicht allein von chinesischen Großaufträgen abhängen, sondern von der Fähigkeit des Managements, das Unternehmen sicher durch ein komplexes Umfeld zu navigieren. Dazu gehört die konsequente Erschließung neuer Wachstumsmärkte wie Indien, die Stabilisierung der fragilen Lieferketten und die Aufrechterhaltung der technologischen Führung bei der Entwicklung nachhaltiger Flugzeuge. Gelingt dieser Spagat, hat Airbus die Chance, seinen Höhenflug fortzusetzen – und zwar nicht nur dank eines kurzfristigen Aufwinds, sondern aus eigener, nachhaltiger Kraft.

Die oft übersehene Stärke: Verteidigung und Helikopter als Stabilitätsanker

Während die Debatte sich oft um Passagierflugzeuge dreht, wird eine wesentliche Säule der Stabilität von Airbus häufig unterschätzt: die anderen Konzernsparten. Der Geschäftsbereich Airbus Defence and Space ist ein entscheidender Profiteur der gestiegenen Verteidigungsbudgets in Europa und weltweit. Langfristige, staatlich garantierte Aufträge für Militärtransporter, Kampfflugzeuge und Satellitensysteme schaffen ein verlässliches finanzielles Fundament.

Gleichzeitig behauptet Airbus Helicopters seine globale Führungsposition im zivilen und militärischen Bereich. Diese Segmente liefern nicht nur konstante und weniger zyklische Einnahmen als das volatile Passagiergeschäft. Sie machen den Gesamtkonzern widerstandsfähiger gegen wirtschaftliche Abschwünge oder regionale Krisen und reduzieren die strategische Abhängigkeit vom reinen Flugzeugverkauf. Diese interne Diversifikation ist ein entscheidender, aber oft verborgener Faktor für den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens.

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Andreas Vonoia

Finanz-Experte

Hallo, mein Name ist Andreas Vonoia, und ich bin Finanzredakteur bei Aktie.net. Ich habe mich auf das Thema Aktien-Trading spezialisiert.


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