Ratgeber Delivery Hero: Vom Börsenliebling zum Sorgenkind – Turnaround in Sicht?

Veröffentlicht am 03.07.2025 von Andreas Vonoia

Einst gefeierter Börsenstar, dann im freien Fall. Nun vollzieht Delivery Hero den Wandel zu profitablem Wachstum. Erste Erfolge sind sichtbar, doch die Risiken bleiben. Wir analysieren die Chancen des Turnarounds und ob die Aktie jetzt vor einer Neubewertung steht.

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Der tiefe Fall eines Börsenlieblings

Der Absturz der Delivery Hero-Aktie war ebenso schnell wie brutal. Angetrieben von der Pandemie und einem scheinbar unendlichen Appetit auf schnell geliefertes Essen, jagte die Aktie von einem Rekord zum nächsten. Das Mantra lautete "Wachstum um jeden Preis". Das Unternehmen expandierte aggressiv in Dutzende Länder, kaufte Konkurrenten auf und investierte Milliarden in den Aufbau von Marktanteilen. Die Profitabilität spielte dabei eine untergeordnete Rolle; die Börse honorierte jeden Zuwachs beim Bruttowarenwert (Gross Merchandise Value, GMV).

Doch das Marktumfeld änderte sich radikal. Steigende Zinsen, Inflation und die Sorge vor einer Rezession lenkten den Fokus der Investoren unerbittlich auf die Gewinn- und Verlustrechnung. Plötzlich war nicht mehr Wachstum, sondern Profitabilität das Maß aller Dinge. Für ein Unternehmen wie Delivery Hero, das über Jahre hinweg für seinen enormen "Cash-Burn" bekannt war, war dieser Stimmungsumschwung pures Gift. Der Aktienkurs brach ein und fand lange keinen Boden. Die Kritik wurde lauter: zu komplex, zu unprofitabel, zu abhängig von externer Finanzierung. Der einstige Star wurde zum Inbegriff der geplatzten Tech-Blase.

Die Wende zur Profitabilität: Mehr als nur ein Hoffnungsschimmer?

Inmitten dieser düsteren Gemengelage hat das Management unter CEO Niklas Östberg jedoch einen bemerkenswerten Kurswechsel vollzogen. Die neue Devise lautet "profitables Wachstum". Und die jüngsten Zahlen belegen, dass dies mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist. Im Geschäftsjahr 2024 gelang dem Unternehmen ein Meilenstein, der lange für unmöglich gehalten wurde: Delivery Hero erzielte erstmals in seiner Geschichte einen positiven Free Cash Flow von 99 Millionen Euro. Dies ist ein entscheidendes Signal, da es zeigt, dass das operative Geschäft nun genug Geld abwirft, um Investitionen und laufende Kosten zu decken, ohne auf externe Geldgeber angewiesen zu sein.

Auch die Entwicklung des bereinigten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) ist beeindruckend. Nach einem Anstieg um 173 % auf 693 Millionen Euro im Jahr 2024 peilt das Unternehmen für das laufende Geschäftsjahr 2025 einen operativen Gewinn zwischen 975 Millionen und 1,025 Milliarden Euro an. Gleichzeitig bleibt das Wachstum intakt. Im ersten Quartal 2025 stieg der Umsatz um 22 % und übertraf damit die Erwartungen der Analysten. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die eingeleiteten Effizienzmaßnahmen greifen, ohne das Kerngeschäft abzuwürgen.

Die Strategie für den Turnaround: Ein Blick in die Werkstatt

Der Weg aus der Krise basiert auf einer mehrgleisigen Strategie, die das Geschäftsmodell von Grund auf modernisieren und widerstandsfähiger machen soll. Die wichtigsten Säulen dieses Plans sind:

  1. Fokus auf Marktführerschaft: Delivery Hero konzentriert seine Kräfte und Investitionen auf Märkte, in denen das Unternehmen die Nummer eins ist. Rund 90 % des Bruttowarenwerts werden in diesen Kernregionen erzielt. Zwar belastet das politisch unsichere Geschäft in Südkorea die Gesamtbilanz, doch ohne diesen Markt läge das GMV-Wachstum bei starken 22 %. Dies zeigt die operative Stärke in den fokussierten Gebieten.

  2. Technologie als Effizienztreiber: Das Unternehmen investiert massiv in Automatisierung und künstliche Intelligenz. In Schweden und Südkorea werden bereits Roboter und Drohnen für die Auslieferung getestet. Eine globale, einheitliche Technologieplattform mit KI-gestützter Logistik soll die Routenplanung optimieren, die Lieferzeiten verkürzen und die Kosten pro Bestellung senken.

  3. Neue Einnahmequellen durch Werbung (AdTech): Dies könnte der entscheidende Hebel für die zukünftige Profitabilität sein. Delivery Hero baut sein Werbegeschäft aggressiv aus. Restaurants und Marken können Werbeplätze in der App buchen, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Für 2025 plant das Unternehmen, mit dieser hochprofitablen Sparte bereits über 1,5 Milliarden Euro Umsatz zu erzielen. Langfristig sollen Werbeerlöse 3-5 % des gesamten Bruttowarenwerts ausmachen und die Margen signifikant verbessern.

  4. Nachhaltige Kundenbindung: Statt teuer neue Kunden zu akquirieren, die nur einmal bestellen, liegt der Fokus nun auf Loyalität. Analysen zeigen, dass neuere Kundengruppen (Kohorten) profitabler sind und häufiger bestellen als frühere. Dies deutet auf ein verbessertes Produkt und eine stärkere Kundenbindung hin.

Chancen und Risiken für Anleger im Detail

Für Investoren ergibt sich ein komplexes Bild mit klaren Chancen, aber auch nicht zu unterschätzenden Risiken.

Die Chancen: Die größte Chance liegt in der Neubewertung der Aktie, sollte der Turnaround gelingen. Die aktuelle Marktkapitalisierung spiegelt die Erfolge der jüngsten Vergangenheit nur unzureichend wider. Gelingt es, die Profitabilitätsziele zu erreichen und das AdTech-Geschäft erfolgreich zu skalieren, besteht erhebliches Kurspotenzial. Die starke Marktposition in vielen Wachstumsmärkten Asiens, des Nahen Ostens und Europas bildet ein solides Fundament. Die technologischen Innovationen könnten zudem langfristige Wettbewerbsvorteile schaffen.

Die Risiken: Der Wettbewerb im Liefersektor bleibt mörderisch. Globale Riesen wie DoorDash und Uber Eats sowie starke lokale Konkurrenten sorgen für ständigen Preis- und Innovationsdruck. Ein weiteres großes Risiko sind regulatorische Eingriffe. Weltweit wird über den Status von Fahrern (Stichwort "Gig Economy") und die Marktmacht großer Plattformen diskutiert. Neue Gesetze könnten das Geschäftsmodell empfindlich treffen. Zudem bleibt die Abhängigkeit von einzelnen großen Märkten wie Südkorea eine Achillesferse. Politische oder wirtschaftliche Verwerfungen dort haben direkte Auswirkungen auf den gesamten Konzern.

Delivery Hero im Überblick: Wichtige Kennzahlen und Fakten (Stand: Juli 2025)
Kennzahl Wert / Prognose Anmerkung
Marktkapitalisierung ca. 7,35 Mrd. EUR Deutlicher Rückgang vom Höchststand (29 Mrd. EUR in 2021).
Umsatzwachstum (Q1 2025) +22 % Zeigt anhaltende Dynamik im Kerngeschäft.
GMV-Wachstum Prognose (2025) 8 % - 10 % Fokus auf profitables Wachstum statt Wachstum um jeden Preis.
Adj. EBITDA Prognose (2025) 975 Mio. - 1,025 Mrd. EUR Signalisiert eine deutliche und nachhaltige Trendwende zur Profitabilität.
Free Cash Flow (2024) 99 Mio. EUR Erstmals positiv, ein wichtiger Meilenstein für die finanzielle Stabilität.
Langfristiges EBITDA/GMV-Margenziel 5 % - 8 % Ambitioniertes Ziel, das den Erfolg des Turnarounds definieren wird (aktuell ca. 1,6 %).

Ausblick und Fazit: Findet Delivery Hero den Weg zurück an die Spitze?

Delivery Hero steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Das Unternehmen hat den schmerzhaften, aber notwendigen Wandel von einem reinen Wachstums- zu einem profitabilitätsorientierten Technologiekonzern eingeleitet. Die ersten Früchte dieser Neuausrichtung sind in den Bilanzen sichtbar: Das Wachstum ist solide, und das Unternehmen verdient operativ Geld.

Der Weg zurück zum unangefochtenen Börsenliebling ist jedoch noch weit und steinig. Der Erfolg hängt maßgeblich davon ab, ob das Management die ambitionierte Strategie konsequent umsetzen kann. Insbesondere der Ausbau des Werbegeschäfts und die fortschreitende technologische Optimierung werden darüber entscheiden, ob die angestrebten langfristigen Margenziele erreichbar sind. Anleger, die heute einsteigen, wetten auf die erfolgreiche Transformation. Das Risiko eines Scheiterns angesichts des harten Wettbewerbs und regulatorischer Unwägbarkeiten bleibt präsent. Die kommenden Quartale werden der ultimative Lackmustest sein. Sie werden zeigen, ob Delivery Hero die Kraft für einen nachhaltigen Turnaround besitzt und seinen Platz an der Sonne zurückerobern kann.

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Über den Autor

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Andreas Vonoia

Finanz-Experte

Hallo, mein Name ist Andreas Vonoia, und ich bin Finanzredakteur bei Aktie.net. Ich habe mich auf das Thema Aktien-Trading spezialisiert.


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