Ratgeber AT&S: Comeback-Chance? High-Tech-Basis für die Zukunft nach Absturz

Veröffentlicht am 18.06.2025 von Andreas Vonoia

Nach einem Kursdesaster steht AT&S am Wendepunkt. Marktschwäche und interner Druck treffen auf eine Schlüsselrolle im KI-Boom. Dies wirft eine entscheidende Frage auf: Ist dies eine einmalige Turnaround-Chance oder ein zu riskantes Investment? Eine Analyse der Fakten.

Placeholder

Die besten Online Broker im Überblick

Hier finden Sie unsere Analyse über die besten Online Broker. Klicken Sie auf den Button, um mehr zu erfahren.

Zum Broker-Vergleich

Der tiefe Fall: Was steckt hinter dem Kursdesaster?

Um das Potenzial einer Erholung zu verstehen, muss man zunächst die Ursachen des Niedergangs analysieren. Die Performance der AT&S-Aktie war im vergangenen Jahr dramatisch. Seit Anfang 2024 hat das Papier mehr als die Hälfte seines Wertes verloren. Ein besonders schwarzer Tag war der 12. Dezember 2024, als der Kurs nach einer weiteren Hiobsbotschaft zeitweise um über 25 % einbrach. Dieser Absturz war das Resultat einer toxischen Mischung aus externen und internen Faktoren.

Der Hauptgrund liegt in einer ausgeprägten Marktschwäche über mehrere für AT&S relevante Sektoren hinweg. Die Nachfrage nach Leiterplatten für Industrieanwendungen und insbesondere für den europäischen Automobilsektor brach spürbar ein. Gleichzeitig führten globale Überkapazitäten, vor allem bei asiatischen Wettbewerbern, zu einem aggressiven Preisdruck. Kunden konnten aus einer Fülle von Angeboten wählen und drückten die Margen der Hersteller auf ein Minimum. Für ein Unternehmen wie AT&S, das mit hohen Qualitätsstandards und Produktionskosten in Europa agiert, ist ein solcher Preiskampf besonders schmerzhaft.

Diese Marktentwicklung schlug sich direkt in den Geschäftszahlen nieder. Während der Umsatz in den ersten drei Quartalen des Geschäftsjahres 2024/25 mit rund 1,2 Milliarden Euro noch auf dem Niveau des Vorjahres gehalten werden konnte, offenbarte die Gewinn- und Verlustrechnung das ganze Ausmaß der Krise. Stand nach neun Monaten im Vorjahr noch ein kleiner Gewinn von 7 Millionen Euro in den Büchern, so wies das Unternehmen nun einen Verlust von 95 Millionen Euro aus. Das Ergebnis pro Aktie stürzte von -0,16 Euro auf dramatische -2,79 Euro ab.

Restrukturierung und Turbulenzen an der Spitze

Das Management reagierte auf die Krise mit einem verschärften Sparprogramm. Um die Kostenbasis zu senken und das strategische Profil zu schärfen, wurde der Verkauf des Werks im südkoreanischen Ansan abgeschlossen und ein Stellenabbau an den österreichischen Standorten Leoben und Fehring eingeleitet. Diese Schritte sind notwendig, um die Effizienz zu steigern, belasten aber kurzfristig das Betriebsklima und sorgen für Unsicherheit.

Zusätzliche Verunsicherung entstand am Kapitalmarkt, als eine bereits angekündigte Kapitalerhöhung im Mai 2024 kurzfristig abgesagt wurde. Dieser Schritt signalisierte, dass das Marktumfeld selbst für eine Kapitalbeschaffung zu ungünstig eingeschätzt wurde. Parallel dazu sorgten personelle Umbrüche für Schlagzeilen. Im September 2024 trat der langjährige und hoch angesehene Vorstandsvorsitzende Andreas Gerstenmayer überraschend von seinem Posten zurück. Kurz darauf verstarb mit Hannes Androsch nicht nur der Aufsichtsratsvorsitzende, sondern auch einer der prägenden Köpfe und Ankeraktionäre des Unternehmens. Diese Ereignisse hinterließen eine Lücke in der Führung und warfen Fragen zur zukünftigen strategischen Kontinuität auf.

Technologie als Hoffnungsschimmer: Das Ass im Ärmel

Trotz der düsteren operativen Lage liegt die eigentliche Stärke und die größte Chance von AT&S in der unbestrittenen technologischen Führungsposition. Das Unternehmen produziert keine einfachen Standard-Leiterplatten, sondern hochkomplexe Verbindungstechnologien, die das Herzstück moderner Elektronik bilden. Die Schlüsselprodukte sind IC-Substrate – die Verbindungsplattform zwischen einem Mikrochip und der Leiterplatte. Genau hier explodiert die Nachfrage durch den Megatrend Künstliche Intelligenz.

Moderne KI-Prozessoren, wie sie von Giganten wie Nvidia, AMD oder Intel entwickelt werden, benötigen extrem leistungsfähige und komplexe IC-Substrate, um ihre volle Rechenleistung entfalten zu können. AT&S ist einer der wenigen Anbieter weltweit, der diese anspruchsvollen Komponenten in der geforderten Qualität und Menge liefern kann. Das strategisch wichtigste Projekt ist daher der Bau des neuen High-Tech-Werks in Kulim, Malaysia. Hier hat AT&S massiv investiert, um die Kapazitäten für genau diese Zukunftstechnologie auszubauen.

Ein entscheidender Meilenstein wurde Anfang 2025 erreicht: Die Serienfertigung für den US-Chipkonzern AMD wurde erfolgreich aufgenommen. Dieser Großauftrag sichert nicht nur Auslastung für das neue Werk, sondern positioniert AT&S als strategischen Partner im Epizentrum der KI-Revolution. Mittelfristig rechnet das Management mit signifikanten Umsätzen aus diesem Bereich, die die Schwäche in anderen Segmenten mehr als ausgleichen könnten.

Neben KI sind die Österreicher auch in anderen Wachstumsmärkten stark aufgestellt:

  • 5G-Technologie: Benötigt komplexe Hochfrequenz-Leiterplatten für Antennen und Basisstationen.
  • Automotive: Trotz aktueller Schwäche ist der Trend zu E-Mobilität und autonomem Fahren ungebrochen. Jedes moderne Fahrzeug enthält immer mehr Elektronik, von Batteriemanagementsystemen bis hin zu Radar- und Kamerasensoren, die auf AT&S-Technologie basieren.
  • Medizintechnik: Von Hörgeräten bis zu medizinischen Implantaten werden miniaturisierte und hochzuverlässige Leiterplatten benötigt.

Fakt Information
Unternehmen AT&S Austria Technologie & Systemtechnik AG
WKN / ISIN 922230 / AT0000969985
Sitz Leoben, Österreich
Sektor Technologie / Halbleiterzulieferer
Kernprodukte High-End-Leiterplatten (PCBs), IC-Substrate, Advanced Packaging
Wichtige Endmärkte Mobile Endgeräte, Automotive, Industrie, Medizintechnik, Computing (KI)
CEO Ingolf Schroeder (seit 01.06.2025)
Wichtigstes Projekt Neues Werk für IC-Substrate in Kulim, Malaysia

Chancen und Risiken für Anleger

Für Investoren ergibt sich ein klassisches Turnaround-Szenario mit hohen Chancen, aber auch erheblichen Risiken.

Die größten Chancen:

  1. Technologieführerschaft: Die Nachfrage nach High-End-IC-Substraten für KI-Anwendungen wächst exponentiell. AT&S ist hier einer der wenigen globalen Player.
  2. Neues Werk in Malaysia: Der erfolgreiche Produktionsstart für Großkunden wie AMD könnte ab 2026 zum entscheidenden Wachstumstreiber werden und die Abhängigkeit von zyklischen Märkten verringern.
  3. Markterholung: Analysten erwarten eine Belebung der Halbleiterindustrie ab 2026/27. Sollte sich auch die Nachfrage aus der Automobil- und Industriebranche erholen, könnte AT&S doppelt profitieren.
  4. Bewertung: Nach dem massiven Kurssturz ist die Aktie historisch günstig bewertet, sofern das Unternehmen den Turnaround schafft.

Die größten Risiken:

  1. Anhaltender Preisdruck: Die Überkapazitäten im Markt könnten länger bestehen bleiben und die Margen weiter belasten.
  2. Hohe Verschuldung: Die massiven Investitionen in das neue Werk haben die Schulden erhöht. Anhaltende Verluste könnten die finanzielle Stabilität gefährden.
  3. Zyklische Nachfrage: Eine tiefere oder längere Rezession in Europa und China würde die wichtigen Industrie- und Automotive-Segmente weiter schwächen.
  4. Geopolitik: Als global agierender Konzern ist AT&S von Handelskonflikten und Störungen der Lieferketten abhängig.

Fazit: Eine Wette auf die technologische Zukunft

AT&S befindet sich an einem kritischen Wendepunkt. Das kurzfristige Bild wird von operativen Problemen, Marktschwäche und Restrukturierungskosten dominiert. Der massive Kursverlust spiegelt diese Unsicherheiten wider. Wer jedoch einen längerfristigen Horizont mitbringt, erkennt die enorme strategische Bedeutung des Unternehmens für die Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts.

Der Erfolg der Investition in Malaysia und die Partnerschaft mit führenden KI-Chip-Entwicklern sind das Fundament für ein mögliches Comeback. Gelingt es dem neuen Management, das Unternehmen durch die aktuelle Krise zu navigieren und die Früchte der strategischen Investitionen zu ernten, bietet die Aktie auf dem aktuellen Niveau erhebliches Kurspotenzial. Die Wette ist klar definiert: Es ist eine Wette darauf, dass die technologische Stärke die zyklischen und hausgemachten Probleme überwinden wird. Für risikobereite Anleger könnte sich der Mut auszahlen, antizyklisch in einen gefallenen europäischen Technologie-Champion zu investieren.

Placeholder

Die besten Online Broker im Überblick

Hier finden Sie unsere Analyse über die besten Online Broker. Klicken Sie auf den Button, um mehr zu erfahren.

Zum Broker-Vergleich

Über den Autor

Author Image

Andreas Vonoia

Finanz-Experte

Hallo, mein Name ist Andreas Vonoia, und ich bin Finanzredakteur bei Aktie.net. Ich habe mich auf das Thema Aktien-Trading spezialisiert.


Neues aus dem Ratgeber

Eli Lilly: Adipositas, Gen-Therapie – Wohin führt die Pharma-Rakete?

Eli Lilly hat sich an die Spitze der Gesundheitsbranche katapultiert. Getrieben von den Megatrends Adipositas und Gen-Therapie stellt sich nach dem atemberaubenden Kursanstieg die Frage: Geht der Höhenflug weiter oder ist die Luft in diesen Höhen bereits zu dünn für Anleger?

Mehr lesen

Autodoc IPO: Digitaler Motor fürs Depot? Analyse des E-Commerce-Giganten

Autodoc, Europas führender Online-Händler für Autoersatzteile, wagt den Sprung an die Börse. Lohnt sich die Aktie? Wir analysieren das Geschäftsmodell, die Bewertung und die entscheidenden Chancen und Risiken für Anleger bei diesem mit Spannung erwarteten IPO.

Mehr lesen

Daimler Truck: Nutzfahrzeug-Schwergewicht im Wandel – Aktie im Aufwind?

Daimler Truck kämpft mit sinkenden Verkaufszahlen im konjunkturellen Gegenwind. Doch mit einer klaren Doppelstrategie aus Batterie und Wasserstoff stellt der Lkw-Gigant die Weichen für die Zukunft. Eine Analyse der Chancen und Risiken für Anleger am Wendepunkt des Konzerns.

Mehr lesen

AT&S: Comeback-Chance? High-Tech-Basis für die Zukunft nach Absturz

Nach einem Kursdesaster steht AT&S am Wendepunkt. Marktschwäche und interner Druck treffen auf eine Schlüsselrolle im KI-Boom. Dies wirft eine entscheidende Frage auf: Ist dies eine einmalige Turnaround-Chance oder ein zu riskantes Investment? Eine Analyse der Fakten.

Mehr lesen

Airbus im Höhenflug? Mehr als China-Aufwind für den Flugzeugbauer

Airbus fliegt auf Rekordkurs, doch die enorme Abhängigkeit von China wird zur strategischen Achillesferse. Zwischen vollen Auftragsbüchern und Lieferengpässen – eine Analyse, wie der Konzern mit neuen Märkten und grüner Technologie die Weichen für eine nachhaltige Zukunft stellt.

Mehr lesen