Ratgeber Lenzing AG: Kampf um Fasern – Turnaround-Chance im Visier?
Veröffentlicht am 28.06.2025 von Andreas Vonoia
Nach einer schweren Krise zeigt der Faserspezialist Lenzing erste Zeichen der Erholung. Gelingt der Turnaround dank des Fokus auf nachhaltige Premium-Fasern wie TENCEL™? Wir analysieren die Chancen und Risiken einer der spannendsten Comeback-Storys an der Börse.

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Zum Broker-VergleichDie Zerreißprobe – Lenzings Weg durch die Krise
Um die aktuelle Situation zu verstehen, ist ein Blick zurück unerlässlich. Die Jahre 2022 und 2023 waren für Lenzing von beispiellosen Herausforderungen geprägt. Ein cocktail aus externen Schocks traf das kapitalintensive Geschäftsmodell mit voller Wucht. Die globale Konsumzurückhaltung, insbesondere im Textilsektor, führte zu einem Einbruch der Nachfrage nach Fasern. Gleichzeitig stiegen die Kosten für Energie und den Schlüsselrohstoff Faserholz in historischem Ausmaß, was die Margen erodieren ließ.
Die finanzielle Antwort des Managements war ein umfassendes Performance-Programm, das auf Kostendisziplin, Effizienzsteigerung und einer Bereinigung des Portfolios abzielte. Nicht zum Kerngeschäft gehörende Vermögenswerte wurden verkauft, um dringend benötigte Liquidität zu generieren und die Bilanz zu stärken. Diese Maßnahmen waren schmerzhaft, aber notwendig, um das Überleben zu sichern und eine Grundlage für die Zukunft zu schaffen. Die Finanzmärkte reagierten nervös; die Anleihen des Unternehmens wurden zeitweise im Hochzinssegment gehandelt, was das Misstrauen in die finanzielle Stabilität des Konzerns widerspiegelte.
Hoffnungsschimmer am Horizont? Die Zahlen von 2024
Die im Frühjahr 2025 veröffentlichten Geschäftszahlen für das Gesamtjahr 2024 lieferten die ersten handfesten Beweise dafür, dass die eingeleiteten Maßnahmen zu greifen beginnen. Obwohl das Unternehmen weiterhin einen Verlust auswies, war die Richtung unverkennbar positiv:
- Umsatz: Die Erlöse stiegen um 5,7 % auf 2,66 Milliarden Euro, ein klares Signal für eine sich erholende Nachfrage.
- Operatives Ergebnis (EBITDA): Dieses verbesserte sich überproportional um beeindruckende 30,4 %. Dies zeigt, dass die Kostensenkungen und Effizienzprogramme Wirkung zeigen und die Profitabilität bei steigenden Umsätzen zurückkehrt.
- Nettoergebnis: Der Verlust nach Steuern reduzierte sich drastisch von 593 Millionen Euro im Katastrophenjahr 2023 auf 138,3 Millionen Euro. Zwar ist das Ziel der Gewinnzone noch nicht erreicht, doch die Blutung konnte gestoppt werden.
- Ergebnis je Aktie: Entsprechend verbesserte sich auch diese Kennzahl von minus 20,02 Euro auf minus 4,06 Euro.
Diese Zahlen deuten darauf hin, dass der operative Turnaround im Gange ist. Die verbesserte Kostenstruktur ermöglicht es Lenzing, von der leichten Markterholung stärker zu profitieren. Die Bilanz zeigt jedoch weiterhin die Spuren der Krise. Die Vorräte sind mit über 646 Millionen Euro relativ hoch, und die hohen Sachanlagen von rund 2,87 Milliarden Euro unterstreichen die Kapitalintensität des Geschäfts, die in Krisenzeiten eine Belastung darstellt.
Die strategische Neuausrichtung: Nachhaltigkeit als Trumpfkarte
Lenzings wichtigstes Pfund im Kampf um Marktanteile und Profitabilität ist seine klare strategische Ausrichtung auf hochwertige und nachhaltige Spezialfasern. Während der Markt für Standard-Viskose von preisaggressiven asiatischen Herstellern dominiert wird, hat sich Lenzing eine führende Position im Premium-Segment erarbeitet. Marken wie TENCEL™ und LENZING™ ECOVERO™ sind zum Synonym für ökologische Verantwortung in der Textilindustrie geworden.
Diese Fasern werden aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz in umweltschonenden, geschlossenen Kreislaufprozessen hergestellt. Sie sind biologisch abbaubar und bieten eine nachhaltige Alternative zu erdölbasierten Synthetikfasern wie Polyester oder der wasserintensiven konventionellen Baumwolle. Dieser Fokus ist mehr als nur ein Marketing-Gag; er ist ein zentraler Wettbewerbsvorteil in einer Welt, in der Verbraucher, Modemarken und Regulierungsbehörden zunehmend auf Nachhaltigkeit drängen. Die Nachfrage nach "grünen" Textilien wächst stetig, und Lenzing ist perfekt positioniert, um diesen Trend zu bedienen. Die Investitionen in innovative Recycling-Technologien wie REFIBRA™, bei der Baumwollabfälle zur Faserherstellung genutzt werden, zementieren diese Vorreiterrolle.
Kennzahl | Information |
Hauptsitz | Lenzing, Österreich |
Gründung | 1938 |
CEO | Stephan Sielaff (Stand Anfang 2025) |
Schlüsselprodukte | TENCEL™ (Lyocell, Modal), LENZING™ ECOVERO™ (Viskose) |
Börsenkürzel (Wien) | LNZ |
Umsatz 2024 | ca. 2,66 Mrd. EUR |
Strategischer Fokus | Nachhaltige Spezialfasern, Kreislaufwirtschaft |
Harte Realitäten: Risiken und Wettbewerbsdruck
Trotz der positiven Signale und der starken strategischen Positionierung bleiben erhebliche Risiken bestehen. Die größte Herausforderung ist der Wettbewerb. Konzerne wie Aditya Birla aus Indien oder Sateri aus China produzieren oft mit niedrigeren Kostenstrukturen und können aggressiv auf die Preise für Standardfasern einwirken. Lenzing muss es schaffen, den Preisaufschlag für seine Premium- und Nachhaltigkeitsprodukte dauerhaft am Markt durchzusetzen.
Darüber hinaus ist das Unternehmen makroökonomischen Risiken ausgesetzt. Eine erneute globale Rezession würde die Konsumausgaben und damit die Nachfrage nach Textilien empfindlich treffen. Geopolitische Unsicherheiten und protektionistische Tendenzen können Lieferketten stören und Kosten in die Höhe treiben. Auch die Preisentwicklung am Baumwollmarkt, der als Referenz für Zellulosefasern dient, bleibt ein Unsicherheitsfaktor. Ein prognostizierter leichter Anstieg der globalen Baumwoll-Lagerbestände für 2024/2025 könnte den Preisdruck im Fasermarkt aufrechterhalten.
Der Blick des Investors: Chance oder Value-Falle?
Für Anleger stellt sich die Lenzing-Aktie als klassischer Fall von Risiko und Chance dar. Die Argumente für eine Investition sind klar:
- Turnaround-Potenzial: Gelingt die Rückkehr in die Gewinnzone, hat die Aktie, gemessen an historischen Bewertungen, erhebliches Aufholpotenzial.
- Struktureller Wachstumstrend: Der Megatrend Nachhaltigkeit ist ein starker, langfristiger Rückenwind für Lenzings Geschäftsmodell.
- Verbesserte Kostenbasis: Das Unternehmen ist heute schlanker und effizienter aufgestellt als vor der Krise.
Demgegenüber stehen die Risiken, die eine Investition zu einer Value-Falle machen könnten:
- Anhaltende Verluste: Sollte die Rückkehr in die schwarzen Zahlen länger dauern als erwartet, könnte dies die Bilanz weiter belasten.
- Konjunkturabhängigkeit: Das Geschäft ist und bleibt zyklisch und anfällig für wirtschaftliche Abschwünge.
- Hohe Verschuldung: Die finanzielle Last aus der Krisenzeit schränkt den Spielraum für zukünftige Investitionen ein und birgt Zinsänderungsrisiken.
Investoren sollten die kommenden Quartalsberichte genau analysieren. Entscheidend werden die Entwicklung der Verkaufsmengen, die Stabilität der Verkaufspreise für Spezialfasern und vor allem die weitere Verbesserung der operativen Marge sein. Gelingt es Lenzing, diese Kennzahlen kontinuierlich zu verbessern, könnte die Neubewertung der Aktie an Fahrt aufnehmen.
Fazit: Ein Marathon, kein Sprint
Die Lenzing AG befindet sich mitten in einem anspruchsvollen Transformationsprozess. Der Kampf um die Fasern ist noch nicht gewonnen, aber das Unternehmen hat eine klare Strategie und die ersten Erfolge sind sichtbar. Die finanzielle Sanierung und die Fokussierung auf den wachsenden Markt für nachhaltige Textilien bilden ein solides Fundament für eine bessere Zukunft. Der Weg aus der Krise ist jedoch kein Sprint, sondern ein Marathon.
Ob die Aktie eine lohnende Investition darstellt, hängt von der Risikobereitschaft des einzelnen Anlegers ab. Wer an die Kraft des Nachhaltigkeitstrends glaubt und das Management zutraut, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen, könnte hier eine der interessantesten Turnaround-Storys im europäischen Industriesektor vorfinden. Die kommenden Monate werden zeigen, ob der zarte Hoffnungsschimmer zu einem strahlenden Licht wird.

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