Ratgeber Siemens Energy: Wind im Rücken oder Sturmwarnung?
Veröffentlicht am 27.06.2025 von Andreas Vonoia
Siemens Energy spaltet die Gemüter: Während das Kerngeschäft mit Netz- und Gastechnologien boomt, bleibt die Windkraft-Tochter Gamesa das Sorgenkind. Wir analysieren, ob der Turnaround gelingt und sich die Wette auf die Energiewende für Anleger lohnt.

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Zum Broker-VergleichDas Kerngeschäft als Fels in der Brandung
Um die aktuelle Situation von Siemens Energy zu verstehen, muss man das Unternehmen in seine zwei wesentlichen Teile zerlegen. Der erste Teil ist das hochprofitable und stabile Kerngeschäft, bestehend aus den Sparten Gas Services, Grid Technologies und Transformation of Industry. Diese Bereiche sind der Fels in der Brandung und der Hauptgrund für die jüngst angehobene Jahresprognose für 2025. Die Nachfrage nach Gasturbinen, vor allem als Brückentechnologie in einer unsicheren Energieversorgung, ist ungebrochen hoch. Weltweit müssen Regierungen und Energieversorger die Stabilität ihrer Stromnetze gewährleisten, was den Verkauf von Serviceleistungen und neuen, effizienten Turbinen antreibt.
Noch bedeutender ist der Bereich Grid Technologies. Die globale Energiewende ist ohne einen massiven Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze undenkbar. Strom aus erneuerbaren Quellen muss von Offshore-Windparks oder riesigen Solaranlagen zu den Verbrauchern in den Städten und Industriezentren transportiert werden. Siemens Energy ist hier einer der weltweit führenden Anbieter für die notwendige Infrastruktur wie Hochspannungsgleichstrom-Übertragungssysteme (HGÜ), Transformatoren und Schaltanlagen. Der Auftragseingang in diesem Segment boomt, was sich im beeindruckenden Book-to-Bill-Verhältnis von 1,45 im zweiten Quartal 2025 widerspiegelt. Das bedeutet, es kommen deutlich mehr neue Aufträge herein, als aktuell abgearbeitet werden können – ein Luxusproblem und ein Garant für zukünftige Umsätze.
Die Achillesferse: Sorgenkind Siemens Gamesa
Während das Kerngeschäft floriert, bleibt die vollständige übernommene Tochtergesellschaft Siemens Gamesa die Achillesferse des Konzerns. Jahrelang sorgten hausgemachte Qualitätsprobleme, insbesondere bei der Onshore-Turbinenplattform 5.X, für milliardenschwere Abschreibungen und operative Verluste. Technische Mängel an Rotorblättern und Lagern führten zu einem Verkaufsstopp und kostspieligen Reparatur- und Garantieprogrammen. Hinzu kamen Probleme in der Lieferkette, steigende Rohstoffpreise und ein harter Wettbewerb, vor allem durch chinesische Hersteller, die den Preisdruck im Windkraftmarkt massiv erhöht haben.
Das Management unter Christian Bruch hat jedoch einen klaren Sanierungsplan auf den Weg gebracht. Dieser umfasst eine tiefgreifende Restrukturierung, einen Wechsel im Management-Team von Gamesa und eine strikte Neuausrichtung. Anstatt jedem Auftrag hinterherzujagen, konzentriert sich das Unternehmen nun auf profitable Projekte in stabilen Märkten, vor allem im lukrativen Offshore-Bereich. Qualität hat oberste Priorität. Ein positives Signal ist die geplante Wiederaufnahme des Verkaufs der überarbeiteten Onshore-Turbinen im Laufe des Jahres 2025. Das Ziel ist klar definiert: Spätestens im Geschäftsjahr 2026 soll Siemens Gamesa die Gewinnschwelle erreichen. Gelingt dieser Turnaround, schlummert hier enormes Wertsteigerungspotenzial. Scheitert er, bleibt die Sparte ein Mühlstein am Hals des Konzerns.
Zahlen, Daten, Fakten: Ein Blick auf die Finanzen (Stand Juni 2025)
Die jüngsten Finanzkennzahlen untermauern die zweigeteilte Lage des Unternehmens, zeigen aber eine klar positive Tendenz. Die starke Performance des Kerngeschäfts überkompensiert zunehmend die Verluste im Windsegment. Die Anhebung der Prognose für das Gesamtjahr 2025 war ein starkes Vertrauenssignal an den Kapitalmarkt. Ein Nettogewinn von bis zu einer Milliarde Euro rückt in greifbare Nähe.
Kennzahl | Wert (Prognose GJ 2025) | Bedeutung für Anleger |
---|---|---|
Umsatzwachstum (vergleichbar) | 13 % – 15 % | Starkes Wachstum, das deutlich über dem Marktdurchschnitt liegt und auf hohe Nachfrage hindeutet. |
Gewinnmarge vor Sondereffekten | 4 % – 6 % | Die Profitabilität verbessert sich spürbar, getragen vom Kerngeschäft. Ein Anstieg zeigt operative Stärke. |
Auftragsbestand (Stand Q2 2025) | 133 Mrd. € | Sichert Umsätze für mehrere Jahre und bietet eine hohe Planungssicherheit und Visibilität. |
Free Cashflow vor Steuern | ca. 4 Mrd. € | Ein starker Cashflow ist entscheidend für Investitionen, Schuldenabbau und zukünftige Dividenden. |
Gamesa-Turnaround-Ziel | Break-even im GJ 2026 | Der wichtigste Meilenstein. Bei Erreichen wird ein erheblicher negativer Ergebniseffekt eliminiert. |
Strategische Weichenstellungen für die Zukunft
Über das Tagesgeschäft hinaus positioniert sich Siemens Energy strategisch für die kommenden Jahrzehnte der Energietransformation. Zwei Bereiche sind hier von besonderer Bedeutung:
- Die Energiewende als Megatrend: Das Unternehmen ist einer der wenigen globalen Akteure, der die gesamte Wertschöpfungskette der Energie abdecken kann – von der Erzeugung (Gas, Wind) über die Übertragung (Netze) bis hin zur industriellen Anwendung. Diese integrierte Aufstellung ist ein Wettbewerbsvorteil. Politische Initiativen wie der "Green Deal" in Europa oder der "Inflation Reduction Act" in den USA schaffen ein günstiges Umfeld und fördern Investitionen in genau die Technologien, die Siemens Energy anbietet. Diese Abhängigkeit von politischen Rahmenbedingungen ist zugleich Chance und Risiko.
- Wasserstoff als Zukunftsfeld: Siemens Energy investiert gezielt in die Entwicklung von Wasserstofftechnologien, insbesondere in Elektrolyseure zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Auch wenn dieses Geschäft heute noch klein ist, gilt Wasserstoff als Schlüssel zur Dekarbonisierung von Schwerindustrie, Schifffahrt und Flugverkehr. Als einer der Pioniere auf diesem Gebiet sichert sich der Konzern den Zugang zu einem potenziellen gigantischen Zukunftsmarkt.
Chancen und Risiken für Anleger im Überblick
Für Investoren ergibt sich ein komplexes Bild, das eine sorgfältige Abwägung erfordert.
Die größten Chancen:
- Starke Marktposition: In den Bereichen Gas Services und Grid Technologies gehört Siemens Energy zur Weltspitze.
- Massiver Auftragsbestand: Bietet eine außergewöhnlich hohe Planungssicherheit für die kommenden Jahre.
- Struktureller Wachstumstreiber: Die globale Energiewende ist ein unumkehrbarer Megatrend, von dem der Konzern direkt profitiert.
- Turnaround-Fantasie: Eine erfolgreiche Sanierung von Siemens Gamesa würde die Konzernmarge erheblich steigern und die Aktie neu bewerten.
- Technologieführerschaft: Investitionen in Zukunftsthemen wie Wasserstoff sichern langfristiges Wachstumspotenzial.
Die größten Risiken:
- Umsetzungsrisiko bei Gamesa: Ein Scheitern der Sanierung oder neue Qualitätsprobleme wären ein herber Rückschlag.
- Wettbewerbsdruck: Insbesondere im Windgeschäft ist die Konkurrenz aus China preisführend und technologisch stark.
- Politische Abhängigkeit: Änderungen bei Förderprogrammen oder regulatorischen Vorgaben können das Geschäft direkt beeinflussen.
- Makroökonomische Faktoren: Hohe Zinsen verteuern Investitionsprojekte, und globale Lieferketten bleiben anfällig für Störungen.
Fazit: Eine Wette auf die Energiewende mit kalkuliertem Risiko
Siemens Energy ist weit mehr als nur ein Sanierungsfall. Der Konzern ist ein unverzichtbarer Akteur für das Gelingen der globalen Energiewende. Das profitable und stabile Kerngeschäft liefert die finanzielle Kraft und die Stabilität, um die Probleme im Windgeschäft zu lösen. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt und versprechen auf Jahre hinaus Wachstum.
Die Investition in die Siemens-Energy-Aktie ist somit eine Wette auf zwei entscheidende Faktoren: erstens auf die Fähigkeit des Managements, den Turnaround bei Siemens Gamesa konsequent und erfolgreich umzusetzen, und zweitens auf den ungebrochenen politischen Willen, die Transformation der Energiesysteme weltweit voranzutreiben. Gelingt die Sanierung der Windsparte, verfügt der Konzern über ein enormes Potenzial, da dann beide Unternehmensteile vom Megatrend der Dekarbonisierung profitieren würden. Bis dahin müssen Anleger jedoch die Situation bei Gamesa genau im Auge behalten. Der Wind im Rücken ist stark, aber die eine oder andere Sturmwarnung wird auf dem Weg in eine grünere Energiezukunft wohl nicht ausbleiben.

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