Ratgeber Zalando: Fashion-E-Commerce am Scheideweg – Wie der Turnaround gelingt
Veröffentlicht am 22.06.2025 von Andreas Vonoia
Unter Druck von Konkurrenz und Konsumflaute erfindet sich Zalando neu. Statt reinem Wachstum zählt nun Profitabilität. Der Schlüssel: die Transformation vom Händler zum umfassenden Mode-Ökosystem mit einem starken Fokus auf das B2B-Geschäft als neuem Wachstumsmotor.

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Zum Broker-VergleichDie neue Realität im Online-Modehandel
Die Rahmenbedingungen für Online-Händler haben sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die Pandemie sorgte zunächst für einen beispiellosen Boom, doch auf die Euphorie folgte ein harter Aufprall in der Realität. Anhaltende Inflation, geopolitische Unsicherheiten und eine daraus resultierende gedämpfte Konsumlaune belasten die Budgets der Haushalte. Mode, oft ein nachrangiger Posten bei den Ausgaben, leidet darunter besonders. Gleichzeitig hat sich der Wettbewerb massiv verschärft. Neben etablierten Konkurrenten wie Amazon drängen aggressive neue Akteure aus Asien, allen voran Shein und Temu, mit extrem niedrigen Preisen und einer rasanten Produktionsgeschwindigkeit auf den europäischen Markt. Sie setzen die etablierten Player unter enormen Preisdruck.
Für Zalando bedeutet dies das Ende einer Ära. Das jahrelang verfolgte Mantra des reinen Wachstums, gemessen am Bruttowarenvolumen (GMV), funktioniert in diesem Umfeld nicht mehr. Anleger schauen nicht mehr nur auf steigende Umsätze, sondern fordern vor allem eines: Profitabilität. Das Management in Berlin hat diesen Weckruf verstanden und eine umfassende strategische Neuausrichtung eingeleitet, die das Unternehmen widerstandsfähiger und letztlich gewinnbringender machen soll.
Zalandos Strategiewechsel: Von Wachstum zur profitablen Plattform
Der Kern der neuen Strategie lässt sich einfach zusammenfassen: Profitabilität vor reinem Volumenwachstum. Zalando transformiert sich von einem reinen Online-Händler zu einem umfassenden Ökosystem für Mode und Lifestyle. Dieser Wandel stützt sich auf zwei zentrale Säulen: die Stärkung des Kerngeschäfts mit Endkunden (B2C) und den ambitionierten Ausbau des Geschäfts mit Partnerunternehmen (B2B).
Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2024 und das erste Quartal 2025 zeigen bereits erste Früchte dieser Neuausrichtung. Während der Umsatz 2024 moderat auf 10,6 Milliarden Euro stieg, verbesserte sich das bereinigte operative Ergebnis (EBIT) überproportional auf 511 Millionen Euro. Die dazugehörige Marge kletterte von 3,5 % im Vorjahr auf 4,8 %. Dieser Trend setzte sich im ersten Quartal 2025 fort und signalisiert, dass die eingeleiteten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung greifen. Der Fokus liegt nun klar darauf, jeden Euro Umsatz gewinnbringender zu gestalten.
Das B2C-Geschäft: Qualität, Kuration und künstliche Intelligenz
Im direkten Geschäft mit den Endkunden verabschiedet sich Zalando von der reinen Massenmarktstrategie. Stattdessen rücken Qualität und ein kuratiertes Einkaufserlebnis in den Vordergrund. Das Ziel ist es, Kunden nicht nur mit einem riesigen Sortiment, sondern mit Inspiration und personalisierten Angeboten zu binden. Hierbei spielen neue Technologien eine entscheidende Rolle.
Das Unternehmen investiert massiv in künstliche Intelligenz (KI), um das Kundenerlebnis zu verbessern. KI-Algorithmen analysieren das Kaufverhalten und ermöglichen hochgradig personalisierte Empfehlungen, individuelle Style-Vorschläge und effizientere Marketingkampagnen. Dies soll nicht nur die Konversionsrate erhöhen, sondern auch die Kundenbindung stärken.
Ein weiterer strategischer Baustein ist der Ausbau von Segmenten mit höherer Marge und gesellschaftlicher Relevanz. Dazu gehören:
- Nachhaltigkeit: Das Angebot an umweltfreundlicher produzierter Mode wird stetig erweitert, um eine wachsende, werteorientierte Zielgruppe anzusprechen.
- Second-Hand: Die "Pre-owned"-Kategorie bedient den Trend zur Kreislaufwirtschaft und bietet eine preisgünstige Alternative, die gleichzeitig die Verweildauer der Kunden auf der Plattform erhöht.
- Premium- und Luxussegmente: Durch die gezielte Aufnahme hochwertiger Marken will Zalando seine Margenstruktur verbessern und kaufkräftigere Kundenschichten erschließen.
Die große Wette: Zalandos B2B-Offensive als neuer Wachstumsmotor
Die wohl radikalste und potenziell lukrativste Veränderung ist der massive Ausbau des B2B-Geschäfts. Zalando will seine über Jahre aufgebaute technologische und logistische Infrastruktur nicht mehr nur für das eigene Geschäft nutzen, sondern sie als Dienstleistung für die gesamte Modebranche anbieten. Unter dem Schlagwort "Zelos" (Zalando E-commerce Operating System) bündelt das Unternehmen seine Services für Markenpartner und andere Händler.
Das Angebot umfasst dabei vor allem die Logistik. Mit "Zalando Fulfillment Solutions" (ZFS) können Markenpartner ihre Waren in den hochautomatisierten Logistikzentren von Zalando lagern und den gesamten Versandprozess, inklusive Retourenmanagement, an Zalando auslagern. Dies ermöglicht es auch kleineren Marken, von einer europaweiten, schnellen Lieferung zu profitieren, die sie allein niemals aufbauen könnten. Ergänzt wird dies durch Softwarelösungen für die Shop-Integration und Marketingdienstleistungen, um die Sichtbarkeit der Partnermarken auf der Plattform zu erhöhen.
Die Vision ist klar: Zalando will zum unverzichtbaren Betriebssystem für den europäischen Online-Modehandel werden. Die Vorteile dieser Strategie liegen auf der Hand. B2B-Dienstleistungen versprechen höhere und stabilere Margen als der reine Warenhandel. Zudem schafft Zalando eine tiefere Abhängigkeit und Integration seiner Partner, was die eigene Marktposition zementiert. Analysten sehen in diesem Segment den größten Hebel für zukünftiges, profitables Wachstum.
Fakt | Beschreibung |
Gründung | 2008 in Berlin von Robert Gentz und David Schneider |
Börsengang | Oktober 2014 an der Frankfurter Wertpapierbörse |
Umsatz 2024 | 10,6 Milliarden Euro (+4,2 % zum Vorjahr) |
Bereinigtes EBIT 2024 | 511 Millionen Euro (Marge: 4,8 %) |
Bruttowarenvolumen (GMV) 2024 | 15,3 Milliarden Euro (+4,5 % zum Vorjahr) |
Aktive Kunden | Über 50 Millionen in 25 europäischen Märkten |
Strategiefokus 2025+ | Duale Strategie: Wachstum im B2C- und B2B-Segment mit Fokus auf Profitabilität |
Risiken und Herausforderungen auf dem Weg zum Erfolg
Trotz der vielversprechenden Strategie und der positiven ersten Ergebnisse ist der Weg für Zalando nicht frei von Hindernissen. Ein zentrales Risiko bleibt das makroökonomische Umfeld. Eine langanhaltende Konsumflaute würde unweigerlich auch Zalandos Wachstumspläne bremsen. Der Wettbewerbsdruck, insbesondere durch die preisaggressiven Anbieter aus Asien, wird nicht nachlassen und erfordert eine klare Differenzierung über Qualität, Service und Markenerlebnis.
Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Risiko liegt in der Umsetzung der ambitionierten B2B-Strategie. Der Aufbau eines umfassenden Ökosystems ist komplex und kapitalintensiv. Zalando muss beweisen, dass es die hohen Erwartungen in diesem Segment erfüllen und die technologischen sowie logistischen Herausforderungen meistern kann. Interne Effizienzprogramme und Umstrukturierungen, die zur Profitabilitätssteigerung notwendig sind, bergen zudem das Risiko von Unruhe in der Belegschaft und müssen sorgfältig gemanagt werden.
Fazit: Ist die Zalando-Aktie wieder ein Kauf?
Zalando befindet sich unbestreitbar in der größten Transformation seiner Unternehmensgeschichte. Der Abschied vom reinen Wachstumsparadigma hin zu einem dualen Modell mit einem starken Fokus auf Profitabilität und einem innovativen B2B-Geschäft ist die richtige Antwort auf die veränderten Marktbedingungen. Das Unternehmen adressiert seine Schwächen proaktiv und hat einen klaren Plan, um sich für die Zukunft zu rüsten.
Für Anleger ergibt sich ein differenziertes Bild. Die Talsohle scheint durchschritten, und die positive Reaktion des Marktes auf die jüngsten Zahlen zeigt, dass die Strategie auf Zuspruch stößt. Das Potenzial, das im Aufbau eines europäischen Mode-Ökosystems liegt, ist enorm und könnte die Bewertung des Unternehmens langfristig auf ein neues Niveau heben. Gleichzeitig bleiben die genannten Risiken bestehen, und der Erfolg ist nicht garantiert.
Die Zalando-Aktie ist somit kein Selbstläufer mehr, sondern eine Wette auf die erfolgreiche Umsetzung einer komplexen, aber vielversprechenden Turnaround-Story. Investoren, die an die Managementkompetenz und die strategische Vision glauben und bereit sind, die kurz- bis mittelfristigen Unsicherheiten zu tolerieren, könnten in Zalando wieder einen gefallenen Engel mit neuem Glanz finden.

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